Drei Orangen
liegen in meiner ObstSchale. T1 hat sie Ende letzter Woche von einer alten Dame aus unserem Ort bekommen. Alt darf man in ihrem Falle ungeniert sagen. Es ist keine Beleidigung, denn sie ist schon so alt, dass sie stolz darauf ist. Dreiundneunzig Jahre und drei Monate war sie am Maienfeiertag. Und letzte Woche ging sie aus dem Haus um ihren früheren Nachbarn zu besuchen und ihm die Orangen zu bringen. Leider hat sie ihn nicht angetroffen. Und plötzlich fühlte sie sich gar nicht wohl. Zum Glüch traf sie da meine T1 und bat sie mich zu fragen, ob ich sie rasch heimfahren könne. Ist nicht weit, aber steil. Ich hab es gerne getan. Eine bewundernswerte Frau. Das älteste Mitglied unserer Kirchengemeide und wohl auch eine der Ältesten in unserem Ort. Immer gut aufgelegt, immer für einen Scherz zu haben, offen für Neues. Manches ist ihr im hohen Alter noch zugestoßen (Wirbelbruch, gebrochener Fuß) und immer wieder hat sie sich erholt. Bis hoch in die Achtziger hat sie noch Blumen in ihrem Garten gepflanzt und sie mit lieben Händen, ihrem strahlenden Lächeln und warmem Herzen verschenkt. Oft, oft auch an mich. Danke, liebe alte Nachbarin!
Eigentlich könnte die Überschrift zu diesem Eintrag auch heißen: Liebeserklärung an eine alte Dame.
Und gerade hab ich erfahren, dass sie heute einen schweren Schlaganfall (halbseitige Lähmung, kann nicht mehr sprechen) erlitten hat, von dem sie sich wohl nicht mehr erholen wird. Auch wenn man niemand den Tod wünschen soll, so wünsche ich ihr doch, dass sie nicht lange leiden muss. Sie war immer ein lebhafter, aktiver Mensch. Hilflos im Bett zu liegen muss die Hölle sein für sie. Am Sonntag war sie noch so gut drauf. Ich hab mich noch mit ihr unterhalten und "mir henn no ä bissle Bleedsinn gmachd midnanna" (Späßchen gemacht, gescherzt …). Irgendwie kann ich es noch nicht fassen, dass ich ihre heitere Stimme nicht mehr hören soll.